Ich bin ja eine Heldin. Soviel sei erwähnt, für die, die es noch nicht wissen. Denn, wie man sieht: Den Countdown zum Tintenzirkel-Sommerfest habe ich grandios verpatzt. Das war nämlich schon. Und großartig, phantastisch inspirierend wie immer! Nur das Wetter hätte besser sein können. Aber auch das hat die Freude eigentlich gar nicht getrübt.
Warum ich mich aber eigentlich wieder hierher bequemt habe, ist die nachdrückliche Bitte um einen Prag-Bericht in diesem Blog. Denn ich habe ja, um das mal aufzuklären, etwas enorm verrücktes getan: Ich bin für einen Abend und einen Vormittag nach Prag gefahren (8 Stunden Zugfahrt pro Weg!), um dort meinen japanischen email-Freund zu treffen. Manchmal bin ich so. Manchmal mache ich sowas. Und wenn es dann soweit ist, bekomme ich so viel Angst vor der eigenen Courage, dass ich mich am liebsten in eine Kiste verkriechen und es aussitzen würde. Zum Glück habe ich gute Freunde, die mir das nicht durchgehen lassen. 😉
Lange Rede, kurzer Sinn: Hier ist er also, mein Prag-Bericht.
Mein erster Eindruck von Prag war: Grau. Und nass. Von wegen goldene Stadt und so, da funkelte und glänzte nichts. Eine große Masse von farblosen Häusern, um es grob zusammenzufassen. Aber das war mir in dem Moment eigentlich nicht so wichtig. Wichtig waren schon eher dieser blubbernde Angstbrei in meinem Magen und der Gedanke, bloß nicht Keris Glücksbringer zu verlieren. Ich bin ja gut in sowas – Sachen verlieren, meine ich.
Treffpunkt mit Takashi war um 17:30 Uhr am Obecní Dum am Platz der Republik. Ich hatte also noch Zeit genug, um meine Sachen in mein Zehnbett(!)-Zimmer im Hostel zu bringen, wo ich dann noch für eine Weile mit meiner Nervosität allein war und mir in Ruhe Sorgen um das Wetter machen konnte. Es schüttete nämlich immer noch. Aber ab und zu habe ich ja im Leben auch mal Glück – und tatsächlich hörte der Regen genau in dem Moment auf, als ich am Treffpunkt ankam. Er hat uns den ganzen Abend nicht mehr belästigt. Danke, danke! 😀
Es gibt ja nichts Aufregenderes als erste Momente. Das gilt für alle Lebenslagen, aber besonders für Begegnungen mit Menschen, die man noch nie „in echt“ gesehen hat. Die ersten Sekunden entscheiden so viel – in meinem Fall darüber, ob sich der Wahnsinnstrip nach Prag gelohnt hat.
Zum Glück – er hat.
Tatsächlich habe ich gar nicht mehrere Sekunden gebraucht um zu wissen, dass ich es hier mit genau dem netten Kerl zu tun habe, den ich aus den Mails kenne. Natürlich hat er auch dieses typisch asiatische Mystery-Face. Man weiß bei Asiaten ja nie so ganz genau, was jetzt in ihrem Kopf vorgeht, wenn man nicht regelmäßig mit ihnen zu tun hat – ob sie jetzt nur höflich sind oder sich wirklich freuen. Aber Takashi hat lachende Augen, und ziemlich oft lacht er auch wirklich. Im unserem Fall hat er meistens über mich gelacht, entweder weil ich keine Orientierung hatte, oder aber weil ich so ahnungslos war. Habt ihr euch schon mal von einem Architekturstudenten durch Prag scheuchen lassen? Wir hatten schon in allerkürzester Zeit unseren ersten kleinen Running Gag am Start, bestehend aus folgendem Dialog:
Takashi bleibt stehen und deutet auf ein Gebäude. „Do you know what this building is?“ Ich schüttele den Kopf. “No … Do you?” Er grinst und nickt. “Yes … It’s very famous/important/popular!”
Gefolgt von Erklärungen, von denen ich meist nur die Hälfte verstanden habe. Alles in allem hat es zwar sehr gut geklappt mit der Verständigung, weil er wirklich recht gutes Englisch spricht, aber längere Monologe zu interpretieren war doch manchmal schwierig. 😉
Nachdem wir einen ersten gemeinsamen Kaffee trinken waren, haben wir allerdings erstmal die Souvenirläden unsicher gemacht. Vor allem waren wir in diesen schnuckeligen Läden mit dem ganzen tollen Holzspielzeug und haben alles ausprobiert. Dann waren wir essen, in einer süßen kleinen Kellerbar. Ich habe Takashi schwer beeindruckt, weil ich zwei große Bier getrunken habe und immer noch ziemlich nüchtern war. Er hatte nur eins und war anschließend schon recht fröhlich. Er gibt auch ganz freimütig zu, dass er nach zwei Bier den Heimweg allein nicht findet, deswegen verkneift er es sich nach Möglichkeit. 😉
Nach dem Bier war er jedenfalls locker genug, um darauf zu bestehen, meinen Regenschirm zu tragen. Es war dann auch inzwischen dunkel, und ich musste allmählich darüber nachdenken, wie ich Keris Schatzkarte zum Zug bringen konnte, die sie mir auf dem Treffen am Wochenende extra gezeichnet hatte. Dazu musste ich diesen Japaner irgendwie zum Schloss kriegen. Also sind wir erstmal zur Karlsbrücke gelaufen, und dann waren wir ja auch schon fast in der Nähe – und, Überraschung! – auch ganz in der Nähe meines Hostels. Damit hatte ich so gar nicht gerechnet. Ich sagte etwas von Orientierungsproblemen, oder? 😉
Jedenfalls habe ich dann gedacht, wenn wir schon so nah sind, dann können wir ja auch zum Schloss hochlaufen, statt mit der Bahn zu fahren, wie Keri vorgeschlagen hatte. Von da werde ich diesen kleinen Weg mit der phantastischen Aussicht dann schon irgendwie finden. Also, bergauf zum Schloss, eine lange Treppe hoch. Und was stelle ich dann oben fest? Ganz offensichtlich sind wir gerade eben jenen Weg gegangen, den Keri empfohlen hatte – nur verkehrt herum. Die Aussicht auf Prag bei Nacht von dort oben war jedenfalls genau so wunderschön wie versprochen! 😉 Wir haben also dort oben verschnauft und uns die Stadt beguckt und den Mond (Vollmond! Strike!), und darüber gesprochen, dass in Japan gar nicht immer Vollmond ist, wie die Animes das suggerieren. Ich bin wirklich enttäuscht. 😛
Anschließend sind wir durch den fast menschenleeren Schlosshof spaziert. Sightseeing bei Nacht ist ja so viel cooler als am Tag! Dann sind wir Keris Weg nochmal „richtigrum“ gegangen und Takashi hat mich zum Hostel gebracht – war ja auch von da nicht weit.
Als ich in mein Zimmer kam, noch ganz voll von den ganzen Eindrücken in so kurzer Zeit, wurde es dann richtig skurril. Für einen Moment dachte wirklich, ich wäre im falschen Film oder würde das alles doch nur träumen. Ich war, wie erwartet, nicht mehr allein im Zimmer. In dem Raum, in dem ich mein Bett belegt hatte, räkelten sich drei fast nackte Männer auf den Betten, als hätten sie sich nur für mich bis auf die Unterhosen ausgezogen und auf den Laken in Pose geworfen. Ich dachte echt, ich guck nicht richtig. Das kichernde Chinesische Pärchen im Nebenzimmer machte es nicht unbedingt besser. Und unter der Dusche stand noch ein vierter von meinen Halbnackedeis. Ich war allerdings viel zu kaputt um das wirklich zu würdigen und habe mich einfach ins Bett geknallt. Zum Glück hat keiner von denen geschnarcht.
Am nächsten Morgen haben Takashi und ich uns dann zum Frühstück getroffen. Das war schon irgendwie niedlich, weil er so genau aufgepasst hat, wie ich die Cornflakes mit Joghurt und Honig esse, um es dann genauso zu machen. Oder wie er die Butter mit der Gabel aufs Brot geschmiert hat, bis er gesehen hat, dass ich das Messer nehme. 😀
Danach hat er seine etwas spezielle Führung kreuz und quer durch Prag fortgesetzt, und ich habe ihn noch in einige Buchläden und Papershops geschleift. Und wir hatten Sonne! Das war das Beste daran! In der Sonne ist Prag ja wirklich sehr schön. Dann sind wir in der Nähe meines Hostels Mittagessen gegangen und haben dort gesessen, bis ich zum Bahnhof musste.
Tja, und dann saß ich auch schon wieder im Zug nach Hause. Das alles war so schnell vorbei, dass es mir jetzt noch ganz unwirklich vorkommt. Fast zu unwirklich um zu sagen, wie ich diese Begegnung im Nachhinein beurteile. Es war spannend und lustig und schön und vor allem viel zu kurz, um einen Menschen kennenzulernen. Ich hoffe, wir haben beim nächsten Mal mehr Zeit. Und ich hoffe vor allem, es dauert nicht all zu lange bis zu diesem nächsten Mal.